Im Rahmen des „Zukunftsforums NRW–Niederlande“ hatte die Brost-Akademie die hochkarätigen Fachleute eingeladen. Ideen und Impulse aus der Diskussion sollen beim bevorstehenden Forum (30./31. Oktober) im niederländischen Noordwijk aufgegriffen und vertieft werden. Die aktuellen Entwicklungen auf dem Energiemarkt – von Rekordpreisen in Deutschland bis zu entlastenden Maßnahmen in Nachbarländern – gehören bei der dritten Auflage des Netzwerktreffens zwischen Politikern und Unternehmenslenkern zu den relevanten Themen.
Trotz Unterschieden in Mentalität und Marktstruktur zwischen Deutschland und den Niederlanden kamen Becker, van Boven und Krebber in der grenzüberschreitenden Bestandsaufnahme des Energiemarktes zu ähnlichen Ergebnissen. Geopolitische Veränderungen, Fehlsteuerung sowie politisch motivierte Zielvorgaben setzen den Energiemarkt unter Druck. Spürbare Folgen der im Zuge des Klimawandels nötigen Dekarbonisierung für Industrie und Verbraucher sind zum Beispiel die Strompreise am Rande der Belastbarkeit.
„Die Politik in den Niederlanden drängt die Bürger, sich vom Gas zu verabschieden“, erläuterte Resi Becker. „Aber es gibt viele Familien, die sich das nicht leisten können. Ohne Hilfe von außen entsteht hier eine Energie-Armut.“ Ihre zentrale Kritik: „Rund 60 Prozent des Strompreises besteht aus Steuern und Abgaben, die vom Verbraucher nicht beeinflussbar sind.“
— Britta van Boven, Geschäftsführerin Gasunie Deutschland
Britta van Boven, Managerin der größten grenzübergreifenden Gasnetze, erweiterte die wenig optimistische Perspektive: „Es gehen noch mehr Arbeitsplätze verloren, wenn wir die Resilienz in der Energieversorgung nicht verbessern.“ Energieintensive Industriezweige wie die Chemie haben bereits deutsche Standorte ins Ausland verlagert.
Für Krebber liegt der Ball vor allem im Feld der Politik. „Der Umstieg auf erneuerbare Energie ist richtig und wirtschaftlich vernünftig. Aber der Ausbau wird nicht synchronisiert und von falschen Anreizen begleitet.“ Windräder würden dort gebaut, wo der meiste Wind weht. Ohne Betrachtung der Anschlusskosten für den erzeugten Strom. „Die zahlt der Netzbetreiber und gibt sie an die Kunden weiter.“
Ebenso fehlgesteuert wertet er den ungebremsten Zubau von Solarpanelen auf privaten Hausdächern. „Der dort erzeugte Strom wird eingespeist, wenn ohnehin schon genug Solarstrom im Netz ist, bei einem garantierten hohen Abnahmepreis. Gleichzeitig nutzen die Haushalte den Strom zum Eigenbedarf, frei von staatlichen Abgaben. So zahlen vor allem die zahlreichen Mieter ohne eigenes Solardach den Preis für die Energiewende.“
— Dr. Markus Krebber, Vorstandsvorsitzender RWE
Bei der künftigen Gestaltung des europäischen Energiemarktes sehen sich die Partner auf beiden Seiten der Grenze als relevante Player. RWE gehört zu den Mitbetreibern eines Atomkraftwerkes in den Niederlanden, vor deren Küste wird in großen Anlagen Windstrom erzeugt, der auch NRW versorgt. Die vorhandenen Gasnetze könnten künftig gleichermaßen Wasserstoff und CO2 in beide Richtungen transportieren. Dafür fehlen vor allem in Deutschland aber noch die politischen Leitplanken.
Einig sind sich Fachleute in ihrer zentralen Forderung: Das System der Energiewirtschaft muss resilienter werden, mit dem Fernziel einer autarken (und bezahlbaren) Versorgung. Krebber: „Wir waren jahrzehntelang vom russischen Gas abhängig. Wir sollten uns davor hüten, die eine Abhängigkeit gegen eine andere einzutauschen, etwa im Bereich von Batterieherstellung und Speichertechnologie.“