Foto:Bapp/Günther Ortmann

Lebendige Debatte um „Freiheit gegen Sicherheit?“ legte Fehlentwicklungen in Politik und Gesellschaft offen 

Wenn die Realität am Elfenbeinturm rüttelt…

Im Licht des Ukraine-Krieges entwickelte sich die Debatte zur „Anatomie eines schwierigen Verhältnisses“ zwischen Freiheit und Sicherheit schnell zur kritischen Auseinandersetzung mit politischen Irrtümern und gesellschaftlichen Fehleinschätzungen. 

„Der Krieg in der Ukraine ruft nach einer neuen Definition von Sicherheit“, erklärte Professor Bodo Hombach, Präsident der Brost-Akademie schon in seiner Begrüßung. „Freiheit setzt Sicherheit voraus, die Balance der Werte ist tägliche harte Arbeit.“

Moderiert von Charlotte Schröder (Leiterin Politik RTL West) ging die Diskussion zwischen Wolfgang Bosbach, Sicherheitsexperte der CDU, sowie Prof. Dr. Dorothee Dienstbühl (Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW) und Dr. Heinrich Wefing, Ressortleiter Politik Die Zeit, weit über Fragen der Inneren Sicherheit hinaus.

„Wir werden die Übeltäter niemals los, sie sollten aber ein ständig steigendes Berufsrisiko haben“ 

Prof. Bodo Hombach

„Der Bürger kann vom Staat erwarten, dass er die territoriale Sicherheit gewährleistet“, so Wolfgang Bosbach mit Blick auf die Entwicklungen in der europäischen Nachbarschaft. Könnte Deutschland das? Eher nicht – und dafür tragen Staat und Gesellschaft nach Einschätzung des Podiums gleichermaßen Verantwortung.

„Wir sind mit dem Thema äußere Sicherheit zu sorglos umgegangen“, lautet das Fazit von Dr. Heinrich Wefing. „Die Bundeswehr wurde dramatisch vernachlässigt, sie ist heute nicht mehr in der Lage, unser eigenes Land zu verteidigen.“

Damit erweitert sich das Spannungsfeld von Freiheit und Sicherheit um den Begriff der behüteten Heimat. Mit diesem Dreiklang beschäftigt sich auch der zweite Band der „Brost-Bibliothek“, mit dem die Brost-Akademie Debattenimpulse aus dem Ruhrgebiet vermitteln will. Er wurde am Ende des Abends präsentiert.

„Wer Angst hat, ist nicht frei. Sicherheit soll die Freiheit verteidigen“

Wolfgang Bosbach

Bis dahin beleuchteten die Diskussionsteilnehmer kundig die aktuellen Herausforderungen deutscher Sicherheitspolitik nach außen und innen. Bosbach verwies dabei auf den Kern des Grundgesetzes, das in einer „wehrhaften Demokratie“ die Freiheitsrechte des Bürgers gegenüber dem Staat formuliert. Auf dieser Basis müssten die Strafverfolger dennoch befähigt werden, angemessen gegen Straftäter vorzugehen. Etwa durch Videoüberwachung oder technische Ausstattung in Kampf gegen die um sich greifende Cyberkriminalität.

„Wenn der Bürger Opfer von Kriminalität wird, hat der Staat versagt“, spitzte Dorothee Dienstbühl zu. Sie sieht die Demokratie derzeit am gravierendsten durch „Extremisierung der Gesellschaft“ bedroht, beobachtbar bei Corona-Leugnern, Reichsbürgern oder in kriminellen Clans.

„Der schlanke Staat erweist sich im Nachhinein als Irrweg. Polizeibehörden wurden kaputt gespart, die Behörden sind technisch zu schwach ausgestattet“

Dr. Heinrich Wefing

Genau hier fordert Wefing mehr gesellschaftliches Mittun: „Man kann die Auseinandersetzung mit diesen Menschen nicht allein der Polizei überlassen. Es hat sich bei uns eine Denk- und Debattenfaulheit entwickelt, dabei lebt jede Demokratie vom lebendigen Streit.“ Bosbach signalisierte Dialogbereitschaft gegenüber der Gruppe von Bürgern, die kritisch hinterfragen, ob staatliches Handeln angemessen sei, etwa bei der Debatte um eine Impfpflicht.

„Bei Präventionsmaßnahmen fehlt oft die wissenschaftliche Evaluation. Sie müssen besser staatlich überwacht werden“

Prof. Dr. Dorothee Dienstbühl

Einigkeit herrschte in der Forderung nach Ausstattung der Sicherheitsbehörden in einem Feld sich ständig verändernder Kriminalität. Bosbach: „Die Polizei braucht eine angemessene Personalausstattung, moderne Technik und ein rechtliches Instrumentarium. Als Viertes möchte ich ergänzen: Es ist ein grundsätzliches Vertrauen statt ständigen Misstrauens nötig.