Band 2 der Brost-Bibliothek beleuchtet unterhaltsam die „Anatomie eines gespannten Verhältnisses“ 

„Der Leser begibt sich in die Gefahr, bisherige Vorurteile und Gewohnheiten zu gefährden!“

Diese „Warnung“ des Herausgebers im Vorwort weckt Neugier auf den zweiten Band der Brost-Bibliothek, der sich unter dem Titel „Heimat, Freiheit und Sicherheit“ der „Anatomie eines gespannten Verhältnisses“ widmet. Auf mehr als 220 Seiten geht es um die zentrale Frage, wie Sicherheit im modernen Zeitalter garantiert und gestaltet werden kann.

„Es gibt auch bei unserem Thema nicht die richtige Sicht“, erklärt Professor Bodo Hombach, Herausgeber und Präsident der Brost-Akademie in seinen einleitenden Worten. „Wer sich im Besitz der einzig gültigen Wahrheit wähnt, hat zu wenig von der ihn umgebenden Welt verstanden.“  Entsprechend spannt sich der Bogen der Textbeiträge über fünf übergeordnete Themenbereiche. Beginnend mit „Freiheit und Sicherheit: Ein gesellschaftliches Spannungsfeld“ über „Sicherheit im Wandel“, die „Herausforderungen des Rechtsstaates“ sowie „Sicherheit im urbanen Raum“. Abschließend geht es um „Phänomene der organisierten Kriminalität“. 

„Den Verfassern dieses Buches geht es nicht um enzyklopädische Breite. Es sammelt aktuelle Erscheinungsformen und die Suche nach Kriterien für eine angemessene Beurteilung der Lage“

Spannend wird der Sammelband durch den ständigen Perspektivwechsel. Betrachtungen aus der politisch-gesellschaftlichen Mitte folgen detailgenaue Einsichten in die alltägliche Kriminalität, die Welt der Täter und Opfer.

So betrachtet und bewertet die Journalistin und frühere Kieler Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke die nachhaltigen Folgen des politischen Corona-Managements auf die freiheitliche Gesellschaft. „Zwei Jahre, in denen die Eltern von Schulkindern etwa so viel Angst vor Corona selbst wie vor den widersprüchlichen, willkürlichen und ungerechten Quarantäne-Regelungen hatten, haben die Familien zermürbt“, führt sie unter dem Titel „Freiheit, die ihre Ungefährlichkeit beweisen muss, ist abgeschafft“ aus. „Wenn etwas in den Corona-Jahren schwer zu ertragen war, dann war es aber doch die deutsche Obrigkeitshörigkeit, die deutsche Hundertprozentigkeit, die deutsche Übererfüllungsbereitschaft.“

Wie von Hombach anmoderiert, gibt das Buch Raum für diametral unterschiedliche Standpunkte, zum Beispiel bei der Beschreibung und Bekämpfung von „Clankriminalität“.

Während der Investigativjournalist Olaf Sundermeyer aus Gesprächen mit LKA-Mitarbeitern die Gefährlichkeit krimineller Großfamilien darstellt („Was sie vereint neben der Familienbande, also ihrer Verwandtschaft, ist eine hohe kriminelle Energie, eine wirkliche Skrupellosigkeit, ein Nichtvorhandensein jeglichen Mitleids für die Geschädigten, die teilweise ja um die Ersparnis ihres ganzen Lebens, eines ganzen Arbeitslebens gebracht wurden.“ ), qualifiziert Strafrechtsanwalt Burkhard Benecken derartige Pauschalierungen als „Clan-Lüge“ ab.

„Wer auch in Zukunft gesellschaftlichen Zusammenhalt, Teilhabe und Demokratie gewährleisten möchte, muss dafür sorgen, dass die Sicherheitsbedürfnisse von allen berücksichtigt werden“

„Ich weiß nicht, wie häufig der Politiker damals das Wort „Clan“ verwendet hat. Das Wort suggeriert mittlerweile eine verbrecherische Gesinnung, organisierte Kriminalität und die Unterwanderung der Gesellschaft durch arabische Großfamilien“, so Benecken. „Diese sogenannte Unterwanderung ist nach meiner Wahrnehmung frei erfunden und existiert seitens der arabischen Großfamilien überhaupt nicht.“ Dagegen stehen Fakten von Sundermeyer zu bestimmten, u.a. von einer türkischen Großfamilie praktizierten Betrugsmasche. „Nach bislang vorliegenden Zahlen haben falsche Polizisten in den Jahren von 2018 bis 2021 bundesweit mindestens 140 Millionen Euro erbeutet, davon alleine in NRW 28,5 Millionen.“

Plakative Zahlenwerke erzeugen an dieser Stelle Betroffenheit und Sensibilität für die kriminellen Phänomene, durch die der friedliche Alltag der Menschen nicht nur in NRW bedroht wird.

„Aus Diversität resultierende Konflikte und Unsicherheiten sind auch Ausdruck der Teilhabe vielfältiger Gruppen am gesellschaftlichen Leben“

Mit illegalen Spielautomaten erzielen Straftäter etwa 10.000 Euro Gewinn monatlich, die Polizei in Oberhausen beschlagnahmte ein Gerät, das im Laufe des Monats mit 58.000 Euro „gefüttert“ worden war. Nordrhein-Westfalen belegt hinsichtlich der Anzahl von aufgestellten sogenannten „Fungamern“ bundesweit den zweiten Platz, hier ist also auch ein Großteil der über 400.000 Spielsüchtigen zu Hause. Alexander Dierselhuis kommt in seinem Beitrag über „Einarmige Banditen im Revier. Illegales Glücksspiel als unterschätzte Herausforderung“ zu dem Fazit: „Währenddessen ermöglicht illegales Glücksspiel insbesondere Spielsüchtigen, ohne jegliche Regulierung ihrer Sucht nachzugehen und damit große Summen zu verlieren. Dies führt zum finanziellen Ruin, und schlimmer noch, endet nicht selten in der Beschaffungskriminalität.“

Am Beispiel des Umgangs mit heimkehrenden IS-Sympathisanten fasst der CDU-Sicherheitsexperte Wolfgang Bosbach die Notwendigkeit differenzierter Betrachtung von Gefahr und deren Abwehr (und damit auch die Intention des Buches) zusammen: „Es gilt das richtige Maß zu finden zwischen (straf-)rechtlichen und polizeilichen Maßnahmen und Mitteln einerseits sowie sozialen und pädagogischen Ansätzen andererseits. Denn ein angemessener (straf-)strafrechtlicher Umgang mit Straftätern und Gefährdern einerseits und das Bemühen und De-Eskalation und Re-Integration andererseits müssen sich nicht ausschließen. Beides sollte sich ergänzen.“

 

 Im Rahmen dieser Debatten liefert „Heimat, Freiheit und Sicherheit“ Denkanstöße und spannende Unterhaltung. Die „Warnung“ des Herausgebers ist durchaus berechtigt.

 

Das Buch ist ab sofort im Buchhandel erhältlich: Bodo Hombach (Hrsg.): „Heimat, Freiheit und Sicherheit. Zur Anatomie eines gespannten Verhältnisses

Tectum Verlag 2022, 232 Seiten, broschiert, ISBN 978-3-8288-4757-6, Preis: 38 Euro